Freie Gruppe Bayreuth
Dank der Dr. Helmut und Constanze Meyer Kunststiftung liegt der Sammlungsschwerpunkt des Kunstmuseum Bayreuth in der klassischen Moderne und in der so genannten „Zweiten Moderne“ nach 1945. Die Caspar Walter Rauh Sammlung und die Werner Froemel Sammlung der Oberfrankenstiftung, die Schenkungen Anton Russ und Herbert Bessel sowie die Voith von Voithenberg Stiftung ergänzten diese in den letzten Jahren.
In verschiedenen anderen Sammlungsbereichen, Stiftungen und Schenkungen bewahrt das Museum Werke von bekannten Künstlern des 20. Jahrhunderts, aber auch von Künstlern, die wegen Verfemung und Verfolgung im Dritten Reich nicht den Stellenwert erlangten, der ihnen zugestanden hätte. In der Kunst nach 1945 konzentriert sich das Museum u.a. auch auf die verschiedenen Künstlervereinigungen, die sich in der Trümmerzeit formierten und die sich die Erneuerung der Kunst auf die Fahnen geschrieben hatten. Die bekanntesten Gruppen sind hier sicherlich „ZEN 49“ (im Museum vertreten zum Beispiel mit Rupprecht Geiger), „der junge westen“ (mit Emil Schumacher), „Quadriga“ (mit Karl Otto Götz), oder die „Alfterer Donnerstag-Gesellschaft“ (mit Hann Trier).
Auch in Bayreuth gab es nach 1945 eine solche Künstlervereinigung, die sich programmatisch „Freie Gruppe Bayreuth“ nannte. Es lag also nahe, dass das Kunstmuseum Bayreuth sich deren Erforschung widmete. Die Gruppe war 1951 – sicherlich inspiriert vom kulturellen Aufbruch, den die Neuerfindung der Richard-Wagner-Festspiele als „Neubayreuth“ damals auslöste – von Friedrich Böhme, Sawo Iwanow, Rudolf Jakubek und Ferdinand Röntgen gegründet worden. Sie streckte ihre Fühler weit über die Grenzen von Bayreuth hinaus nach Hof, Bamberg, Kulmbach und Coburg aus und gestaltete die Bayreuther Kunstszene für 30 Jahre, bis sie 1981 während der Aufbruchphase der Universität Bayreuth im neu gegründeten Kunstverein aufging.
Wie viele andere Gruppen war auch diese ein eher loser Zusammenschluss von Künstlern und – einigen wenigen – Künstlerinnen. Einige von ihnen waren vom Krieg versprengte, andere kehrten nach dem Krieg in ihr zerstörtes Zuhause zurück. Ferdinand Röntgen, Hanna Barth oder Caspar Walter Rauh waren im Dritten Reich verfemt und verfolgt worden. Andere hatten sich – teilweise in der inneren Emigration – mit dem System arrangiert. Alle fanden sich hier zusammen, um zwischen Trümmern und Neu-Aufbruch künstlerisch und auch wirtschaftlich einen neuen Anfang zu wagen. Ihnen war es nach der nationalsozialistischen Gleichschaltung aller Lebensbereiche endlich (wieder) möglich frei zu malen: Der Name der Gruppe war also Programm. Doch nicht jeder begrüßte die moderne Kunst.
Wie Beatrice Trost in dieser Publikation ausführlich schildert, hatten einige der Künstler eine akademische Ausbildung absolviert: Greiner in München, Böhme und von Waldenfels (später Voith von Voithenberg) bei Albiker in Dresden, Röntgen und Rauh u.a. in Düsseldorf, Zeume bei Molzahn und Dexel in Magdeburg, von Freymann-Knispel bei Tappert in Berlin, Faust bei Orlik in Berlin. Andere begannen ihr Werk als Autodidakten.
Denkbar ist, dass – wie Philipp Schramm es in seinem Text andeutet – der Campendonk-Schüler Gottfried Brockmann aus Köln, der bis 1951 in Hof lebte, und der Feininger-Schüler Werner Gilles aus Reydt, der in München lebte und immer wieder Anton Richter in Schwarzenbach/Saale besuchte, bei der Gründung der Gruppe eine besondere Rolle spielten. Denn Ferdinand Röntgen, der aus Wuppertal stammte und nach seiner Verfemung als Bühnenbildner in Bayreuth gestrandet war, kannte Gilles und Brockmann gut. In den zwanziger Jahren waren alle drei in der „Rheinischen Sezession“, bei den „Kölner Progressiven“, im „Jungen Rheinland“ bzw. bei der „Künstlergruppe „Die Wupper“ aktiv gewesen. Auch mit Caspar Walter Rauh waren diese drei durch gemeinsame Bekannte, zum Beispiel seine Lehrer Heinrich Nauen und Werner Heuser an der Düsseldorfer Akademie, verbunden. Dort hatte Brockmann seit 1932 die Grundausbildung der Studenten geleitet – also wohl auch Rauh unterrichtet, als dieser im selben Jahr sein Studium in Düsseldorf begann. Schramm weist in diesem Zusammenhang auch auf eine Verbindung zur fränkischen „Gruppe der Progressiven 1948“ hin, an der u. a. Brockmann, Gilles und Rauh teilnahmen. Die Erforschung der Verbindungen dieser Gruppe mit der „Freien Gruppe Bayreuth“ steht allerdings noch in ihren Anfängen.
In der Anfangszeit fanden die Ausstellungen zusammen mit den ersten neuen Richard-Wagner-Festspielen vor allem im Sommer statt. Die Sommer- und Ferienzeit hatte außerdem den Vorteil, dass Schulgebäude Räumlichkeiten für die Ausstellungen boten. Doch wechselten die Ausstellungsorte über die Jahre hinweg immer wieder, je nachdem, welche Räumlichkeiten gerade notdürftig hergerichtet, umgebaut oder restauriert werden konnten. Mit den Ausstellungen wird hier der Wiederaufbau der Stadt Bayreuth unmittelbar erfahrbar. Mit den umfangreichen Bautätigkeiten war allerdings auch eine Chance auf Aufträge im Rahmen der Kunst im öffentlichen Raum für die Künstler der Region verbunden, was einigen von ihnen – wie Beatrice Trost hier ausführt – die Grundlagen für den Lebensunterhalt sicherte.
Die Aufgabe der Gründungsmitglieder bestand vor allem in der Kontaktpflege zwischen den Künstlern, die teilweise verstreut auf dem Land lebten. Legendär sind die Exkursionen von Böhme und Röntgen „mit einem geliehenen Motorrad“, um Künstlerinnen und Künstler der Region zu besuchen und sie für Ausstellungen zu gewinnen. So entwickelte sich ein reger Austausch von Ideen und natürlich auch von Bildern in ganz Oberfranken.
Vergleicht man die Werke der verschiedenen Ausstellungsteilnehmer über die Jahre hinweg, wie es diese Publikation u.a. im biografischen Anhang versucht, kann man sagen, dass die meisten der ausgestellten Werke im Großen und Ganzen der gegenständlichen Malerei und einer eher gemäßigten Abstraktion zuzurechnen sind. Im Gegensatz zu anderen, dem Informel oder der Konkreten Kunst gewidmeten Künstlergruppen, gab es bei der „Freien Gruppe“ kaum Künstler, die völlig ungegenständliche Bilder schufen. Erst ab den sechziger Jahren breiteten sich dann auf Leinwänden und anderen Bildträgern Farbmateriestrukturen aus.
Das künstlerische Spektrum der ausgestellten Werke war weit: Es gab zahlreiche expressionistische und viele surreale Bilder. Landschaften, Menschenbilder und Portraits bilden den Hauptanteil der Werke. Immer wieder wurden neben Gemälden, Zeichnungen, Aquarellen und gelegentlichen Druckgraphiken auch Keramiken und Holz- bzw. Bronzeskulpturen ausgestellt. In vielen Werken verbinden sich alltägliche Bilder mit mythischen oder religiösen Themen. Wie bei vielen anderen Künstlern der Zeit kann dies als Versuch gedeutet werden, den Kriegserfahrungen und Trümmern die Idee einer überzeitlichen Weltordnung entgegenzusetzen. In der Ausstellung haben wir versucht, dem nachzuspüren.
Die Ausstellungen der Freien Gruppe waren sehr gut besucht. Obwohl – wie Norbert Aas hier in seinen Forschungsergebnissen zur sozialen und kulturellen Situation in Bayreuth nach 1945 darlegt – alltägliche Sorgen um Wohnraum und Versorgungsprobleme in den ersten Jahren dominierten, scheint der gute Besuch der Ausstellungen doch darauf hinzudeuten, dass von Anfang an das Bedürfnis nach Kunst und Kultur und das Interesse an Kunstwerken allgemein groß war. Die positive Resonanz der Ausstellungen in der Öffentlichkeit hatte aber auch einen weiteren positiven Effekt, denn die zahlreichen Privatbesucher kauften immer wieder Kunstwerke. Auch der Bezirk und die Regierung von Oberfranken und schon früh die Stadt Bayreuth erwarben regelmäßig Werke für Büros, Flure und Besprechungszimmer.
Bei der Stadt Bayreuth entstand so über die Jahrzehnte hinweg eine kleine, repräsentative Sammlung mit heimischer Kunst. Leider sind nicht mehr alle Werke erhalten. Manche haben sich, zum Beispiel durch Lichtschäden, aufgebraucht. Andere wuchsen den Mitarbeitern so ans Herz, dass sie nach deren Ausscheiden mit ins Privatleben wechselten. In mehreren Begehungen haben Bernd Romankiewitz und Philipp Schramm im Rahmen des Forschungsprojektes den Rathausbestand aufgenommen und analysiert. Einige der Arbeiten wurden aus konservatorischen Gründen in Museumsobhut geholt, wo sie untersucht und wenn nötig restauriert werden konnten. Inzwischen bewahrt das Kunstmuseum Bayreuth nahezu den gesamten historischen Teil dieser städtischen Sammlung.
Es war uns seit Jahren ein wichtiges Anliegen, das Wirken dieser, für die Stadt und ihre Kulturentwicklung so bedeutenden Gruppe aufzuarbeiten und zu erforschen, so lange es noch Zeitzeugen oder Angehörige gibt, die uns etwas zu sagen haben.
Wir freuen uns daher sehr, dass wir mit Förderung und Unterstützung durch Barbara Froemel, die Oberfrankenstiftung, die Voith von Voithenberg Stiftung am Kunstmuseum Bayreuth und die Freunde des Kunstmuseum Bayreuth e.V. dieses Projekt endlich realisieren konnten.
Und dankenswerterweise fanden sich zahlreiche Angehörige, Freunde und Sammler der Gruppe, die dem Kunstmuseum Bayreuth ihre Werke für diese Ausstellung als Leihgaben zur Verfügung stellten. Das eine oder andere Werk fand auch seinen Weg in die Sammlungen, um diese als „wertvoller Besitz“ sinnvoll zu ergänzen, wie Herbert Barth es in seinem Wunsch nach einem städtischen Kunstmuseum schon 1968 gefordert hatte.
Wie immer hat auch hier die Forschung viele spannende Fakten und manche Geschichten zutage gefördert, aber auch neue Fragen aufgetan. Wir hoffen daher darauf, dass im Zuge der Veröffentlichung dieser Publikation und der Ausstellung im Kunstmuseum Bayreuth / Altes Barockrathaus die eine oder andere faszinierende neue Information ihren Weg zu uns finden wird